Grußworte von Bischof Dr. Josef Marketz zum jährlichen Hiroshima- und Nagasaki-Gedenken der Friedensbewegung Wien
Die Erinnerung der Vergangenheit kann Wege in eine gute Zukunft eröffnen. Die Wiener Friedensbewegung und verbündete Einrichtungen stellen sich bereits seit 25 Jahren unablässig diesem Anspruch und erinnern alljährlich am Hiroshima-Tag an die Opfer des US-amerikanischen Atombombenangriffs auf Hiroshima und Nagasaki in Japan.
Vor dem Hintergrund einer instabiler werdenden Weltlage und insbesondere des Krieges in der Ukraine gewinnt dieses Gedenken höchste Brisanz: Besonders in Europa sind wir Zeug*innen einer politischen Wende zu neuer Aufrüstung. Auch mit Blick auf O-Asien wurde noch nie in der Geschichte eine solche Zahl an Atomwaffen in höchster Bereitschaft gehalten wie heute.
Unbeschadet des Rechts aller völkerrechtlich anerkannten Staaten auf militärische Verteidigung im Falle eines Angriffs auf ihre territoriale Integrität und politische Souveränität, kann für Christ*innen jeder Waffengebrauch höchstens die „ultima ratio“ darstellen und unterliegt selbst dann noch strengsten moralischen Beschränkungen im Sinne der reinen Verteidigung staatlicher Integrität und Souveränität sowie der internationalen Friedensordnung. Nichts rechtfertigt jedenfalls Handlungen, welche auf die Vernichtung oder auch nur vollständige Unterwerfung eines politischen Gegners abzielen. Auch ein Feind bleibt stets Träger von zu respektierenden Rechten und legitimen Interessen.
Politische Interessenskonflikte zwischen Staaten oder Bündnisblöcken sind deshalb immer im Wege der Diplomatie zu lösen. Ziel muss dabei immer ein „gerechter Friede“ zwischen allen Streitparteien sein. Nichts rechtfertigt dagegen den Einsatz von militärischer Gewalt oder auch nur deren Androhung durch entsprechende Hochrüstung zur Durchsetzung partikulärer Interessen.
In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Jänner 2023 bezeichnet Pp. Franziskus jeden Krieg als „Niederlage für die ganze Menschheit … und nicht nur für die direkt beteiligten Parteien“. Das einzig wirksame Mittel dagegen ist eine grundsätzliche Veränderung unserer gewohnten Kriterien für die Interpretation der Welt und der Wirklichkeit: „Wir können nicht mehr nur daran denken, den Bereich unserer persönlichen oder nationalen Interessen zu schützen, sondern wir müssen uns im Lichte des Gemeinwohls begreifen, mit einem Gemeinschaftssinn, das heißt als ein „Wir“, das offen ist für eine allumfassende Geschwisterlichkeit. Wir dürfen nicht nur unseren eigenen Schutz anstreben, sondern es ist an der Zeit, dass wir uns alle für die Heilung unserer Gesellschaft und unseres Planeten einsetzen und die Grundlagen für eine gerechtere und friedlichere Welt schaffen, die sich ernsthaft um ein Gemeinwohl müht, das wirklich alle miteinschließt.“[1]
Diese mahnenden Worte verpflichten auch auf die Fortführung der jahrzehntelangen Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit der Friedensbewegung Wien in der gemeinsamen Mitverantwortung für Menschenwürde, internationale Gerechtigkeit und Frieden.
Ich wünsche dem heurigen Hiroshima-Tag erneut intensive Teilnahme und Aufmerksamkeit.
Dr. Josef Marketz
Diözesanbischof
[1] https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2022-12/welt-frieden-botschaft-papst-franziskus-erster-januar-2023.html