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19.03.2024
Die andere Seite ist auch nicht besser
Vom Versuch, Meinungen zum Thema Wohlstand auf der Straße einzufangen
Autorin: Emma Jelenz, ksœ
Zugegeben, wenn mir in meiner Mittagspause jemand begegnet, bin ich grundsätzlich schon einmal skeptisch. Wenn dieser Jemand auch noch diesen eindringlichen Blick hat, mit den Händen winkt und „Haaallo, hast du kurz Zeit für mich und ein paar Fragen?“ sagt, sträubt sich alles in mir. Für die ksœ habe ich mich auf die andere Seite dieser Interaktion gewagt und kann nun mit Überzeugung sagen: Die andere Seite ist auch nicht besser – aber vielleicht ein wenig aufregender.
Doch warum eigentlich Straßeninterviews? Anfang März hat die zweite Staffel unseres Podcasts „361°– Sozialkompass“ gestartet. In dieser geht es um das Thema Wohlstand und unter welchen Aspekten Wohlstand relevant ist. Weil Wohlstand ein Thema ist, das so ziemlich alle Menschen betrifft und zu dem viele Menschen etwas zu sagen haben, haben wir uns überlegt, nicht nur Wissenschaftler*innen und Expert*innen zu Wort kommen zu lassen, sondern den Podcast etwas näher zu den Menschen zu bringen. Und die einfachste Idee war, Menschen auf der Straße zu befragen, deren Meinungen aufzunehmen und anschließend in den Podcast einfließen zu lassen.
Wie sich herausgestellt hat, ist einfach ein etwas dehnbarer Begriff.
Die Vorbereitungen waren einfach. Zusammen mit unserem wissenschaftlichen Referenten für Ökonomie Sebastian Thieme, dem Direktor der ksœ Markus Schlagnitweit und der Verantwortlichen für Kommunikation und PR Juliane Fink habe ich mich zusammengesetzt, und wir haben Fragen überlegt. Diese sollten kurz sein, man sollte kein Vorwissen benötigen und persönliche Antworten geben können. Die Befragten sollten nicht das Gefühl haben, eventuell etwas Falsches zu sagen, sondern frei heraus reden zu können. Letztendlich wurden es pro Podcast-Folge zwei Fragen.
Der Tag, an dem ich die Fragen aufgenommen habe, war windig. Schon am Weg, um die Aufnahme-Geräte abzuholen, die wir bei Radio Orange leihen konnten, hatte ich Zweifel, ob brauchbare Audios zustande kommen würden. Ich habe mich extra mit Windschutz für die Mikros ausgerüstet und bin in den Augarten spaziert. Leute zu finden, die mit mir sprechen und sich aufnehmen lassen wollten, war alles andere als einfach. Nach dem vierten Nein war meine Motivation schon auf ein Minimum geschrumpft und ich habe meine Idee insgeheim schon bereut.
Bei der fünften Person, die Gott sei Dank bereit war, sich aufnehmen zu lassen, ist mir ein überraschtes „Wirklich?“ entwischt, als sie zugestimmt hat. Danach hatte ich eine gute Phase, denn annähernd alle Personen hatten etwas zu sagen, manche wollten sich zwar nicht aufnehmen lassen, und bei anderen war der Wind leider zu stark, aber immerhin haben sich viele mit mir unterhalten. Ich habe auch viel positives Feedback für die Fragen, die Arbeit der ksœ allgemein und unsere Öffentlichkeitsarbeit erhalten.
Vom Übermut beflügelt hatte ich den grandiosen Einfall, meine Befragung auf den Stephansplatz zu verlegen. Denn wo mehr Menschen sind, lassen sich auch sicher mehr Interviewpartner finden, oder? Und so kommen wir zur schlechtesten Entscheidung des Tages: Am Stephansplatz trifft man im Wesentlichen auf zwei Personen-Gruppen: Touristen und Einheimische. Aber beide Gruppen haben gemeinsam, dass sie alle irgendwohin müssen. Entgegen meiner Vermutung habe ich am Stephansplatz also keine einzige Aufnahme gemacht und war gegen Schluss schon positiv beeindruckt, wenn ich ein freundliches Nein kassiert habe. Der Tag hat also genau so geendet, wie er begonnen hat.
Das Fazit aus diesem Tag: Einerseits muss man dorthin gehen, wo sich die „echten“ Wiener*innen aufhalten, um Aufnahmen zu bekommen; andererseits sind Glück und Wohlstand mehr, als einen Lotto-Sechser zu machen oder das neueste Smartphone zu besitzen. Glücklich sind die meisten dann, wenn es den Menschen in ihrem Umfeld gut geht.
Was im Leben sonst noch eine Rolle spielt und was meine Straßeninterviews ergeben haben, kann man in der neuen Folge „Was ist eigentlich Wohlstand?“ im Podcast „361° – Sozialkompass“ nachhören.
Zur Autorin: Emma Jelenz ist Social Media Referentin der ksœ