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16.04.2025
Emma Jelenz
Vater werden? Sofort. Mutter werden? Puh … mal schauen
Ein altes Sprichwort besagt: Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Doch wie sieht dieses Dorf aus? Und braucht es wirklich ein ganzes Dorf – oder reicht es, wenn sich die Erziehungsberechtigten als gleichwertig und ebenbürtig sehen?
Genau um diese Fragen geht es im Buch „Küchengespräche – wer kocht, putzt, wäscht und tröstet?“ von Samuel Geiser und Heidi Kronenberger (Text) sowie Yoshiko Kusano (Fotos), das 2024 im Rotpunktverlag erschienen ist. Schon das Cover lädt dazu ein, es aufzuschlagen. Der Inhalt? Ein spannender Mix aus wissenschaftlichen Beiträgen und persönlichen Geschichten, die zeigen, wie Schweizer Familien ihren Alltag organisieren – und warum es so ist, wie es ist.
Tradierte Muster …
Warum es so ist, lässt sich zwar knapp zusammenfassen, aber nicht so leicht erklären. Vieles basiert auf tradierten Mustern und Werten, die über Generationen weitergegeben wurden: Die Frau bleibt zu Hause, kümmert sich um die Kinder, während der Mann arbeitet und das Geld verdient. Und genau hier liegt ein grundlegendes Problem. Denn eine Frau, die sich um Haushalt, Kindererziehung und Terminplanung kümmert, geht zwar keiner Erwerbsarbeit nach, arbeitet aber dennoch – unbezahlt, mit wenig Anerkennung und oft in wirtschaftlicher Abhängigkeit. Entscheidet sie sich, doch arbeiten zu gehen, wird sie mit doppelter Belastung bestraft: Haushalt und Kinder „schmeißen sich schließlich nicht von selbst“, und dann darf sie sich im schlimmsten Fall auch noch als „Karrierebiest“ betiteln lassen.
… und Alternativen
Dass es auch anders gehen kann, zeigt dieses Buch. Es beginnt mit der Geschichte einer Familie, in der beide Eltern Teilzeit arbeiten – sowohl in der Erwerbsarbeit als auch im Haushalt. Andere Familien wiederum können Erwerbs- und Hausarbeit gar nicht so klar trennen, weil der Hof, das Geschäft oder der Betrieb mit dem Familienleben verwoben ist.
Doch ein „Dorf“ muss nicht zwangsläufig aus einer klassischen Familie bestehen. Das Buch zeigt alternative Modelle: Menschen, die ihren Haushalt allein organisieren, oder Alleinerziehende, die sich zusammenschließen und sich gegenseitig unterstützen. Entscheidend ist nicht die Anzahl der „Dorfbewohner*innen“, sondern deren Qualität – wie sie Aufgaben teilen, füreinander da sind und sich gegenseitig den nötigen Raum geben.
Strukturelle Aspekte
Neben den persönlichen Geschichten und wissenschaftlichen Analysen deckt das Buch aber auch strukturelle Probleme auf. Schweizer Familien stehen vor Hindernissen, die durch bessere Sozialpolitik vermeidbar wären. Es braucht also nicht nur ein gesellschaftliches Umdenken, bei dem vor allem auch Männer gefragt sind (sonst kommt für Frauen nur noch ein weiteres To-do hinzu), sondern auch politische Veränderungen.
In einer Zeit, in der Trad Wives, Sexismus und ein allgemeiner Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung allgegenwärtig sind, setzt das Buch genau dort an, wo es soll: Es schafft Bewusstsein und zeigt Alternativen für eine gerechte Familienorganisation, in der sich alle gleichermaßen einbringen, verwirklichen und ihre Unabhängigkeit bewahren können. Alles Herausforderungen, vor die auch Eltern in Österreich gestellt werden und die auch hierzulande mit einer besseren Sozialpolitik gelöst werden könnten.
Wenn dieses Modell gelingt, ist es wahrscheinlich vielen irgendwann egal, ob sie Vater oder Mutter werden. Aber bis dahin bestehe ich darauf, Vater zu werden.
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Zur Autorin: Emma Jelenz ist Social Media Referentin der ksœ.