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24.06.2025
Hannah Angerbauer
Schulden in Hoffnung verwandeln
Von 30. Juni bis 3. Juli 2025 findet in Sevilla, Spanien, die 4. UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung statt. Es geht dabei um Themen wie internationale Entwicklungszusammenarbeit, Steuern, Handel und Schulden – um nur einige zu nennen. Bei der KOO – Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Internationale Entwicklung und Mission verfolgen wir vor allem die Verhandlungen zum Arbeitsstrang ‚Schulden‘.
Das Heilige Jahr 2025 ist für Christinnen und Christen ein Jahr des Neuanfangs, bei dem der Erlass von Schulden eine lange Tradition hat. Ein breites Bündnis aus katholischen Organisationen und NGOs fordert daher den Schuldenerlass für hochverschuldete Länder des Globalen Südens sowie eine neue Schuldenarchitektur, damit Länder des Globalen Südens mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln können. Das Motto dazu lautet: Schulden in Hoffnung verwandeln!
Globale Schuldenkrise
Mehr als drei Milliarden Menschen leben in Ländern, die mehr für Zinszahlungen als für Bildung oder Gesundheit ausgeben. Die Welt befindet sich in einer neuen Schuldenkrise, die durch die COVID-19-Pandemie und die weltweite Inflation noch mal verstärkt wurde.
Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank schätzen, dass 60 % der einkommensschwachen Länder an dem Punkt sind, an dem sie ihren Rückzahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können, oder kurz davorstehen, in Schuldennotstand zu geraten.
Auch wenn über 80% der weltweiten Neuverschuldung 2023 aus reichen Ländern wie den USA, Japan, Großbritannien und Frankreich stammen, kämpfen Länder des Globalen Südens damit, ihre Schuldenlast zu bewältigen. Das liegt einerseits an den hohen Kreditzinsen, mit denen diese Länder konfrontiert sind. Sie sind zwei- bis zwölffach höher als die der reichen Länder, wodurch sie in einem Schuldenkreislauf gefangen sind.
Ein weiteres Problem ist, dass die Quote der Schulden, die im Besitz von privaten Gläubigern wie Banken sind, in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Für die Verhandlung von Schuldenerlässen mit privaten Gläubigern fehlen gesetzliche Rahmenbedingungen jedoch komplett, was eine Lösung des Schuldenproblems massiv erschwert.
Strukturelle Probleme der globalen Schuldenarchitektur
Wenn ein Land Probleme mit der Rückzahlung seiner Schulden hat, gibt es derzeit kein formelles, organisiertes System oder Regelwerk für die Umstrukturierung von Staatsschulden. Im derzeitigen System werden Schuldenprobleme entsprechend den Interessen der Gläubiger (wie G20, IWF, Weltbank, Pariser Club und private Banken) behandelt.
Mehr als 20 Jahre nach dem letzten großen, internationalen Schuldenerlass, führt dieses gläubigerdominierte System dazu, dass die Staaten nun wieder vor ähnlichen Problemen stehen. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass ein fairer und gerechter Mechanismus zur Schuldenregulierung noch immer fehlt. Dadurch haben hochverschuldete Länder nur wenige Möglichkeiten, einen Zahlungsausfall zu vermeiden. So gelangen sie in einen Teufelskreis aus immer höheren Zinsen und immer stärkeren Sparmaßnahmen auch in Kernbereichen staatlicher Verantwortung wie Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit oder Klimaschutz, was oft auch dazu führt, dass die Einhaltung der Menschenrechte und internationalen Verpflichtungen gefährdet ist.
Hoffnung: UN-Schuldenrahmenkonvention
Viele Länder des Globalen Südens fordern eine neue globale Schuldenarchitektur unter Führung der Vereinten Nationen (UN), eine sogenannte Schuldenrahmenkonvention mit verbindlichen Regeln für Kreditnehmer und -geber.
Wichtige Reformpfeiler dabei wären:
- Einrichtung eines multilateralen Mechanismus zur Schuldenabwicklung: ein unabhängiges Gremium unter Schirmherrschaft der UN, das für die Verwaltung und Lösung von Problemen in Zusammenhang mit der Umstrukturierung von Staatsschulden zuständig ist
- Verbindlicher Vorrang der Menschenrechte vor dem Schuldendienst
- Verbindliche Regeln für verantwortungsvolle Kreditvergabe und Kreditaufnahme
- Globales Transparenzregister für Schulden
- Öffentliche Kreditrating-Agenturen und deren Regulierung
- Verbindliche Regeln auch für private Gläubiger
Zeit für Gerechtigkeit
Im Moment sind erst 17% der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) umgesetzt. Der Blick auf die ökologischen Schulden des Globalen Nordens durch die Hauptverantwortung für die Klimakrise, die Zerstörung von Ressourcen im Globalen Süden und (Post)Kolonialismus lassen uns erkennen, dass es Zeit ist für Gerechtigkeit. Wenn Milliarden Menschen mehr für Schulden zahlen als für ihre Grundbedürfnisse, zeigt dies, dass noch immer wirtschaftliche Interessen über menschlichem Wohlergehen stehen. „Erinnern wir uns daran, dass die Güter der Erde sind nicht nur für einige wenige Privilegierte bestimmt, sondern für alle.“, erinnerte Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Jänner 2025.
EU darf arme Länder nicht in Stich lassen
Letzte Woche – zwei Wochen vor der Konferenz in Sevilla – haben sich die beteiligten Staaten (ohne die USA) bereits auf ein Abschlussdokument geeinigt. Auch wenn es positiv ist, dass die Länder in dieser krisenhaften Zeit eine Einigung zusammengebracht haben, ist das Ergebnis sehr enttäuschend: Die EU und andere Länder wie Kanada, Australien, Neuseeland, Japan, die Schweiz und Großbritannien haben viele wichtige Punkte verwässert und unter anderem auch einen Schlüsselparagraphen im Ergebnisdokument der UN-Konferenz zum Thema Schulden blockiert. Die EU und mit ihr Österreich verhindern damit, dass Länder des Globalen Südens bei der Reform der Schuldenarchitektur ein Mitspracherecht haben. Mit der erstmals auf europäischem Boden stattfindenden Konferenz, hätte die EU eine besondere Verantwortung gehabt, ein ambitioniertes Abschlussdokument zu unterstützen.
Letztlich liegt eine Reform der internationalen Finanzarchitektur im Interesse der gesamten Weltgemeinschaft und würde den Weg für eine menschenrechtsorientierte, nachhaltige und langfristige Entwicklung ebnen. Die Konferenz wird nun hoffentlich dazu genutzt, weitere Schritte für Reformen und deren Umsetzung zu überlegen. Auch wenn das Abschlussdokument enttäuscht, konnte die internationale Zivilgesellschaft in Vorbereitung auf diese Konferenz Erfolge verbuchen. Es wurden neue Allianzen geschlossen und die Bewegung für eine gerechte Finanz- und Schuldenarchitektur ist gewachsen. Wir geben nicht auf und wollen weiterhin Schulden in Hoffnung verwandeln!
Wenn auch Sie Teil dieser Bewegung sein möchten, unterstützen Sie die Petition „Turn Debt into Hope“ von Caritas Internationalis: https://turndebtintohope.caritas.org/#signthepetition
Zur Autorin: Hannah Angerbauer ist Fachreferentin für Anwaltschaft der KOO.