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Prekariate in der Wissenschaft
Am 29. September findet in Österreich die Nationalratswahl statt. Im Vorfeld dieser Wahl hat die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksœ) einen Fragenkatalog erarbeitet, der aus insgesamt 20 Fragen besteht und an alle Parlamentsparteien versendet. Bis zur Nationalratswahl 2024 veröffentlichen wir hier jeden Tag eine neue Frage und die Antworten der Parlamentsparteien.
Frage 18/20: Wie positionieren Sie sich zur Debatte über die befristeten Anstellungen im Hochschulbereich (Kettenverträge, Wunsch nach planbaren Karriereperspektiven) sowie zur Rolle der Drittmittel? Sehen Sie hier Änderungsbedarf?
Kommentar der ksœ Aus Sicht der Katholischen Soziallehre gelten auch für die Anstellungen im Hochschulbereich die Qualitätskriterien für Gute Arbeit, z.B. „Gesundheit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, ... |
... zumutbare Arbeitszeiten, realistische Mobilitätserfordernisse“, ein angemessenes Einkommen und die Achtung der Menschenwürde (Sozialwort 2003). Die Praxis der Befristungen und Teilzeitarbeit stehen dem entgegen. Zudem lassen Befristungen und die Orientierung an Drittmittel-Projekten die Sorge wachsen, dass der Berufsweg in Forschung und Lehre zunehmend vor allem jenen möglich ist, die sich zumindest zeitweise die damit verbundenen prekären Arbeitsbedingungen ‚leisten‘ können. Forschung und Lehre müssen frei sein, um ihren Dienst an der Gesellschaft verrichten zu können. Befristungen und die Notwendigkeit, Drittmittel einzuwerben, stellen eine ernsthafte Bedrohung dieser Freiheit dar. Hochschulen müssen so ausfinanziert sein, dass Gute Arbeit sowie die Freiheit in Forschung und Lehre gewährleistet sind.
Hinweise: |
ÖVP |
Eine Studie zeigt, dass nur ein Drittel der Unimitarbeiter unbefristet beschäftigt ist. Um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, sollen ab 2025 Höchstquoten für befristete Verträge gelten. Diese werden in den Leistungsvereinbarungen für 2025 bis 2027 festgelegt.
Die neuen Regelungen sollen festlegen, wie viel Prozent des wissenschaftlichen Personals befristet beschäftigt sein dürfen. Die Umsetzung beginnt schrittweise ab Herbst 2024. Allerdings bleiben die umstrittenen Kettenverträge bestehen, mit einer maximalen Höchstdauer von acht Jahren für befristete Verträge. Danach ist ein unbefristeter Vertrag oder das Verlassen der Universität erforderlich. |
SPÖ |
Prekariate auf österreichischen Hochschulen z.B. in Form von Kettenverträgen sind seit langem ein Problem. Wenn Lehrende und Forschende sich nicht regelmäßig Sorgen machen müssten, ob ihr Vertrag verlängert wird, könnten sie mehr Energie in ihre tatsächlichen Tätigkeiten stecken, wovon sie selbst, die Studierenden und die gesamte Gesellschaft profitieren. Die SPÖ steht für eine Zurückdrängung von befristeten Verträgen. Zukünftig soll es eine Höchstquote an befristeten Verträgen geben, die jährlich absinkt. Forschungsförderung wiederum muss so gestaltet sein, dass Hochschulen nicht abhängig werden von Drittmitteln. Drittmittelfinanzierung muss für Hochschulen langfristig planbar sein. |
FPÖ |
Die Hauptproblematik bei den Kettenverträgen (§109 UG) betrifft aus freiheitlicher Sicht die Drittmittel-Angestellten. Für diese bedarf es einer Änderung: Drittmittelangestellte sind nach einer zweijährigen Befristung unbefristet anzustellen, allerdings mit einer erweiterten Kündigungsmöglichkeit bei Ende der Drittmittelfinanzierung, das aber kombiniert mit einer längeren Kündigungsfrist. PostDocs sollen einen einmaligen befristen 4-jährigen Vertrag erhalten, für Tenure-Track befristete Verträge auf 6 Jahre und bei positiver Evaluierung unbefristet, für Senior Scientists unbefristete Verträge. Bei den Drittmitteln unterscheiden wir zwischen jenen aus Töpfen, die mit Steuergeld gespeist werden und jenen, die aus der Privatwirtschaft kommen. Erstere sollen zusätzlich einen Teil des Pauschalbudgets „Forschung“ kompetitiv vergeben. Für von zweiteren eingeworbene Mittel soll es ein staatlich finanziertes Anreizsystem geben. |
GRÜNE |
Jahrelang stand die Kettenvertragsregelung an den österreichischen Universitäten zur Debatte und sorgte für Kritik sowohl auf Seiten der Arbeitgeberin Universität als auch auf Seiten der Beschäftigten und wurde sogar vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten. Nun gibt es seit dieser Gesetzgebungsperiode eine Lösung. Ziel war und ist es, eine klare, europarechtskonforme Regelung zu schaffen, die auf die mögliche Anzahl der befristeten Arbeitsverhältnisse sowie auf die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse fokussiert und die zunehmend prekären Arbeitsverhältnisse an Universitäten essenziell verbessert.
Einen Änderungsbedarf sehen wir vor allem noch in der Praxis. Viele Universitäten beschäftigen noch immer nicht ausreichend unbefristet, was aber über die Leistungsvereinbarung gesteuert werden muss. Drittmittel (also Gelder, die über Projekte lukriert werden können, zum Beispiel aus der Wirtschaft oder über Stiftungen) sind ein wichtiger Teil insbesondere der Forschungsförderung, sei es auf nationaler oder auf EU-Ebene. Es ist aber immer auch zu fragen, ob diese Drittmittel den Compliance-Richtlinien entsprechen. Uns ist es ein Anliegen, die Einwerbung von Drittmitteln transparent zu machen und die Universitäten – vergleichbar etwa mit der ETH Zürich – zu öffentlich einsehbaren Registern zu verpflichten.
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NEOS |
Mit Drittmitteln finanzierte Stellen sollten von der Kettenvertragsregelung ausgenommen werden. Es ist sowohl für die betroffene Wissenschaftlerin bzw. den betroffenen Wissenschaftler als auch für die Universität nachteilig, wenn die Person nach einer bestimmten Anzahl an Jahren die Universität verlassen muss, statt das Projekt fortzuführen bzw. ein Nachfolgeprojekt zu akquirieren.
Insgesamt ist in der Frage der Kettenverträge bzw. der befristeten Dienstverhältnisse wichtig, eine gute Balance zu finden zwischen dem Anliegen, Mobilität in der Forschung zu fördern und dem Anliegen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu vermeiden. Befristete Dienstverhältnisse sollten daher eingedämmt werden. Sinn macht aus NEOS-Sicht eine Obergrenze für den Anteil befristeter Dienstverhältnisse an den Dienstverhältnissen der jeweiligen Uni, die in der Leistungsvereinbarung zwischen Wissenschaftsministerium und Universität festgelegt wird und Rücksicht nimmt auf die jeweilige standort- und fachspezifische Situation.
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