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Soziale Gerechtigkeit
Am 29. September findet in Österreich die Nationalratswahl statt. Im Vorfeld dieser Wahl hat die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksœ) einen Fragenkatalog erarbeitet, der aus insgesamt 20 Fragen besteht und an alle Parlamentsparteien versendet. Bis zur Nationalratswahl 2024 veröffentlichen wir hier jeden Tag eine neue Frage und die Antworten der Parlamentsparteien.
Frage 1/20: Was bedeutet für Ihre Partei ‚soziale Gerechtigkeit‘?
Kommentar der ksœ Soziale Gerechtigkeit zielt auf eine Gesellschaftsordnung ab, in der jeder Mensch fair behandelt wird und die Chance hat, ... |
... sein volles Potenzial zu verwirklichen. Sie umfasst die gerechte Verteilung von Ressourcen, Chancengleichheit, den besonderen Schutz benachteiligter Gruppen sowie die prinzipielle Achtung der Würde aller Menschen. Dieses Konzept reicht über nationale Grenzen hinaus und berücksichtigt die globalen Auswirkungen unseres Handelns. Es bezieht die Folgen unseres Konsums und umweltbelastenden Verhaltens auf Arbeitsbedingung in anderen Ländern ebenso ein wie deren Rolle bei der Entstehung von Fluchtursachen. Für eine sozial gerechte Politik ist es daher von zentraler Bedeutung, die Gleichbehandlung aller gesellschaftlichen Gruppen sicherzustellen. Besonderes Augenmerk muss dabei auf potenziell vulnerable Gruppen gelegt werden, darunter Menschen mit Migrationshintergrund, Erwerbslose, Armutsbetroffene, Frauen sowie Menschen mit Behinderungen. Es gilt, jeglicher Form der Diskriminierung entgegenzuwirken und die Vorstellung zu überwinden, dass bestimmte Menschen oder Gruppen weniger wert seien als andere.
Hinweise: |
ÖVP |
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und müssen den gleichen Zugang zum Recht haben. Wir erkennen die Einmaligkeit und Individualität der Menschen an, die sich in unterschiedlichen Anlagen, Fähigkeiten, Begabungen und Interessen zeigen.
Unsere große Herausforderung liegt darin, Chancengerechtigkeit für alle Menschen zu fördern. Wir versprechen nicht gleiche Ergebnisse, sondern arbeiten für gerechte Chancen. Zudem treten wir für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf allen Ebenen ein. |
SPÖ |
Für die SPÖ bedeutet "soziale Gerechtigkeit" das Streben nach einem fairen und gerechten Gesellschaftssystem, in dem alle Menschen gleiche Chancen und Rechte haben, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Eine sozial gerechte Gesellschaft verteilt Lasten und Chancen fair auf die Schultern ihrer Mitglieder. Sie verhindert soziale Ausgrenzung, bekämpft aktiv Armut und gewährleistet soziale Sicherheit, damit jeder und jede die Möglichkeit hat, ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben zu führen. |
FPÖ |
Als soziale Heimatpartei steht für uns die soziale Gerechtigkeit für die eigene Bevölkerung an oberster Stelle. Nach dem Leitbild von Freiheit und Verantwortung muss man durch geeignete Maßnahmen wie Schul- und Berufsausbildung jede Person dazu in die Lage versetzen, sich durch die individuelle Arbeit und Teilhabe an Gesellschaft, Staat und Wirtschaft selbst ökonomisch und sozial vorwärts zu bringen. Dort, wo das durch Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit usw. nicht möglich ist, muss die Gemeinschaft durch entsprechende Unterstützung und Förderung dafür sorgen, dass keiner zurückbleibt. Soziale Gerechtigkeit bedeutet für uns auch, die Ressourcen, welche die Steuerzahler dem Staat „zu treuen Handen“ überantworten, sorgsam, in deren Sinne und zuallererst für die eigenen Bürger einzusetzen. Warum sagen wir das? Weil es eben nicht sein kann, dass wir im eigenen Land zum Beispiel Senioren haben, die sich bei Sozialmärkten anstellen müssen, und trotzdem kaum über die Runden kommen, aber zum Beispiel gleichzeitig Asylwerber, die rundum vom Staat versorgt werden, einen Klimabonus erhalten. Und es kann im Sinne eines verantwortungsvollen und sozial gerechten Ressourcenmanagements auch nicht sein, dass die Mindestsicherung/Sozialhilfe, die einst gedacht war als Überbrückungshilfe für in Not geratene Bürger, einen Magneten für die illegale Einwanderung und in weiterer Folge zu einem Dauer-Ersatzeinkommen für Asylberechtigte darstellt. |
GRÜNE |
Wir Grüne setzen uns für eine Gesellschaft und einen Sozialstaat ein, in dem jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft, seinem Einkommen, seinem Geschlecht gleiche Chancen und Rechte haben sollte. Für uns ist soziale Gerechtigkeit eng mit Klimaschutz, Demokratie, Rechts- und Sozialstaatlichkeit verbunden.
Wir stehen seit jeher für einen starken Sozialstaat. Gerade in der Corona-Krise hat der Sozialstaat seine Funktions- und Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Ein gut ausgebauter Sozialstaat ist mehr als eine wesentliche zivilisatorische Errungenschaft – er stabilisiert Einkommen, schafft Vertrauen, garantiert Teilhabe und sichert gegen Risiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter ab. Es ist uns daher auch wichtig, immer wieder die hohe Bedeutung des Sozialstaats zu betonen. Er benötigt nichts desto trotz anhaltender Adaptionen. Das soziale Netz enger zu knüpfen, Sozialleistungen "armutsfest" zu machen und Bildungs-, Betreuungs-, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen – also die sozialstaatliche Infrastruktur – auszubauen und den Zugang niederschwelliger und einfacher zu gestalten, sehen wir Grüne daher als wesentliche Schritte, um unseren Sozialstaat weiterzuentwickeln und zu modernisieren.
Den Sozialstaat auf einen Kostenfaktor zu reduzieren, ist aus unserer Sicht unzulässig und viel zu kurz gegriffen. Denn wer behauptet, der Sozialstaat sei "nicht leistbar" oder "zu teuer", der übersieht, dass der Sozialstaat auch ein enormer Produktionsfaktor ist. Er gibt zehntausenden Menschen Beschäftigung, und ermöglicht es hunderttausenden Menschen – vor allem Frauen – überhaupt erst, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können und so einen wesentlichen Beitrag zu Wohlstand und wirtschaftlicher Entwicklung zu leisten. Ohne Sozialstaat wäre wirtschaftliches Handeln vielfach erst gar nicht möglich. Sozialstaatliche Leistungen wie Pensionen, Arbeitslosengeld und Mindestsicherung sichern in Wirtschaftskrisen Einkommen und dämpfen so den Abschwung. Der Sozialstaat bringt allen etwas.
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NEOS |
Nachfolgend ist nur eine kleine Auswahl an Punkten aufgelistet, welche für uns „soziale Gerechtigkeit“ widerspiegeln:
Soziale Gerechtigkeit bedeutet für uns, dass ein funktionierender und nachhaltig finanzierter Sozialstaat den Schwächsten hilft. Des Weiteren sehen wir es als unsere Pflicht an, unser Sozialsystem enkelfit zu hinterlassen, also auch den künftigen Generationen. Das betrifft beispielsweise den Umbau unseres Pensionssystems hin zu einer Flexipension nach skandinavischem Vorbild: In diesem System "managt" jeder sein eigenes Pensionskonto. Die Beiträge, die man im Erwerbsleben auf das Pensionskonto einzahlt, werden auf die restliche statistische Lebenserwartung aufgeteilt. Wer früher zu arbeiten beginnt, kann auch früher ohne Abschläge in Pension gehen. Umgekehrt wird man aber nicht aus dem Arbeitsmarkt gedrängt.
Zur Gerechtigkeit gehört aber auch, dass nicht auf Kosten der Allgemeinheit „Sonderprivilegien“ für einige wenige finanziert werden und auch dass sich Leistung lohnen muss. So muss es z.B. wieder attraktiver werden, Vollzeit zu arbeiten und die stark gestiegene Steuerlast für eine Mittelschichtsfamilie sollte sinken (Senkung von vor allem nicht-arbeitnehmerbezogenen Lohnnebenkosten, Senkung der Steuern- und Abgabenquote auf 40 % des Bruttoinlandsprodukts). Des Weiteren hat Österreich auch großen Bedarf, bei der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern Fortschritte zu erzielen: Dazu gehören nicht nur Investitionen im Bildungsbereich, um echte Wahlfreiheit zu ermöglichen, sondern auch ein automatisches Pensionssplitting: Das soll frühzeitig gegen Altersarmut bei Frauen vorbauen. |