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Populistische Gefährdung universaler Menschenrechte

Stellungnahme

 

 

Aktuelle Bezüge und inhaltliche Einordnung

In den letzten Jahren haben Politiker:innen in Österreich und anderen europäischen Staaten (z. B. Italien, Niederlande) wiederholt Zweifel darüber geäußert, ob die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) heutigen – politischen! – Anforderungen entspreche. Sie kritisieren dabei auch häufig die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Diesen Äußerungen sind drei Merkmale gemeinsam:

  • Sie erfolgen durch Politiker:innen aus Staaten, die der EMRK seit ihrer Gründung oder seit sehr langer Zeit angehören und sich immer für starke Menschenrechte ausgesprochen haben.
  • Sie stellen in Frage, dass die EMRK und einzelne in ihr verbriefte Rechte noch zeitgemäß seien.
  • Sie wollen darüber diskutieren, ob der EGMR die Rechte der EMRK noch im Sinne der Situation auslegen soll, die Europa zur Zeit der Entstehung der EMRK geprägt hat.

Die Widersprüchlichkeit, die diese drei Punkte kennzeichnet, löst sich für die hinter diesen Statements stehenden Politiker:innen auf, indem sie darauf verweisen, dass die EMRK zu einer Zeit beschlossen wurde, als es keine „Massenmigration“ von außerhalb Europas gab. Diese Argumentation verrät, dass sich ihre Kritik vor allem auf die Frage der Rechte von Flüchtlingen und Migrant:innen bezieht.

Das bestätigt auch ein am 25. Mai 2025 von neun Staats- und Regierungschefs von EU-Mitgliedsstaaten (NB.: Alle Mitgliedsstaaten der EU sind auch Mitglieder der EMRK.), darunter der österreichische Bundeskanzler, unterzeichnetes Dokument, in dem eine Änderung der Rechtsprechung des EGMR gefordert wird. Sie verlangen für ihre Staaten eine größere Entscheidungsfreiheit in Hinblick auf eine effektivere Ausweisung kriminell gewordener Ausländer:innen.

Diese Stellungnahmen sind bisher nicht in politischen Debatten vertieft worden. Sie werden aber regelmäßig vorgebracht. Das kann in politischen Parteien und Gremien ebenso wie in der Öffentlichkeit Zweifel am Gehalt und Verständnis der Menschenrechte in Europa und der Rolle des EGMR nähren, denn:

  • Mit der laufenden Kritik wird der internationale Menschenrechtsschutz und damit die Universalität von Menschenwürde und Menschenrechten in Frage gestellt.
  • Mit der Infragestellung der Rechtsprechung des EGMR wird auch das Verhältnis von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Politik in Frage gestellt.

 

Hintergrundinformationen

Die EMRK wurde 1950 von den Mitgliedern des Europarats unterzeichnet und ist 1953 in Kraft getreten. Österreich ist dem Europarat und der EMRK 1958 – nach Abschluss des Staatsvertrags – beigetreten. Seit 1964 ist die EMRK Teil der österreichischen Bundesverfassung.

Die EMRK entstand in Auseinandersetzung mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Diese gilt als Gründungsdokument des modernen internationalen Menschenrechtsschutzes. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO ist als Reaktion auf den 2. Weltkrieg und insbesondere auf die Shoah entstanden. Sie bringt ein weites, global ausgerichtetes Verständnis der Menschenrechte zum Ausdruck und umfasst Freiheitsrechte und soziale Rechte. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hat allerdings nur deklarativen und appellativen Charakter. Ihre Rechte können nicht vor einem Gericht durchgesetzt werden.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde in Europa vor allem von Konservativen und Christdemokraten mit Skepsis gesehen. Die EMRK unterscheidet sich daher in drei Punkten grundsätzlich von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO:

  1. Die EMRK hat einen klaren rechtlichen Charakter und ist rechtlich verbindlich. Ein Gericht, der EGMR, kann angerufen werden und auf ihrer Grundlage verbindliche Entscheidungen treffen.
  2. Die EMRK bringt ein Menschenrechtsverständnis zum Ausdruck, in dem der Schutz- und Abwehrcharakter bestimmend sind.
  3. Die EMRK wurde wesentlich durch katholische Denker und deren spezifische Erfahrungen unter totalitären Regimen geprägt. Die für sie zentralen Rechte auf Familien- und Privatleben, das Erziehungsrecht der Eltern und die Religionsausübung werden besonders geschützt. Im Hintergrund stand der Wunsch, die zentralen Überzeugungen und Bedürfnisse von Christ:innen international gegen mögliche sozialistische Entwicklungen in den Mitgliedstaaten abzusichern.

Von Beginn an wies die EMRK aber auch zwei sehr innovative Elemente auf:

  1. Sie schuf eine neue Art von Verfassung: ein Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrechten, an das sich alle ihre Mitglieder gebunden fühlen und auf das sie gegenseitig achten sollen. Die EMRK ist nämlich verbindliches Recht. Sie hat aber selbst keine Möglichkeit, dieses Recht durchzusetzen. Das ist Sache ihrer Mitglieder.
  2. Die EMRK wurde zwar in einem konservativen Geist formuliert, sollte aber zugleich (und durchaus dem damals geteilten Verständnis von Konservativismus entsprechend) ein „lebendiges Dokument“ sein. Die konkrete Rechtsprechung des EGMR sollte es also ermöglichen, sie aktuell zu halten und auf neue Entwicklungen reagieren zu können.
    Die Nominierung der Richter:innen durch die Mitgliedstaaten und ein breiter fachlicher Diskurs sollten diese Entwicklungen begleiten und einhegen. Im Laufe der Zeit hat der EGMR in der Folge zum einen vielen Anstöße für die Diskussion und Weiterentwicklung der Menschenrechte in Europa gegeben. Zum anderen ist er in seiner Rechtsprechung aber auch zurückhaltend und vorsichtig geblieben. Er stellte und stellt immer auf die konkrete Situation in einem Staat und die dortigen Wertvorstellungen ab, und in vielen Entscheidungen dominiert eine sehr Kontext-spezifische Auslegung und Anwendung der EMRK.

Zur aktuellen Kritik

Die Kritik der Regierungschefs vom Mai 2025 und weitere wiederkehrende Stellungnahmen stehen in einer Linie kritischer Äußerungen gegenüber dem internationalen Menschenrechtsschutz im Allgemeinen und der EMRK im Besonderen, die vor einigen Jahren eingesetzt hat. Im Zentrum steht der Vorwurf, dass der EGMR durch seine Rechtsprechung die Abschiebung von Asylwerber:innen, die Straftaten begangen haben, in deren Herkunftsländer verhindern. Damit würden den Staaten in Europa große Lasten aufgebürdet und die Sicherheitslage in Europa gefährdet.

In der Debatte treten allerdings drei Probleme auf:

    1. Die Kritik bleibt immer unspezifisch. Es werden nie konkrete Entscheidungen genannt, durch die der EGMR diese Probleme verursacht haben soll.
    2. Die EMRK enthält kein Recht auf Asyl. Sie baut auf dem Recht auf Leben sowie dem absoluten Verbot der Folter und der Todesstrafe auf. Weil das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit absolut geschützt sind, und weil ein absolutes Verbot von Folter und Todesstrafe besteht, kann der Schutz nicht auf das Gebiet der Mitgliedstaaten der EMRK beschränkt werden. Der EGMR sagt daher in ständiger Rechtsprechung, dass die Abschiebung einer Person in einen Staat, in dem ihr Folter oder Tod drohen, der EMRK widerspreche.
    3. Es ist legitim und wichtig, in demokratischen Gesellschaften über die Auslegung von Rechtsvorschriften und Menschenrechten zu diskutieren. Das kommt auch im Verständnis der EMRK als „lebendigem Dokument“ zum Ausdruck. Dabei müssen aber die Regeln des rechtlichen und gerichtlichen Diskurses beachtet werden. Die Unterscheidung zwischen politischem und rechtlichem Diskurs darf nicht unterlaufen werden.

Fazit

Die EMRK ist, wie alle Menschenrechtsdokumente, sehr weit formuliert. Das soll ihr Zugänglichkeit, Verständlichkeit und beständige Geltung sichern. Wer aber die EMRK in Frage stellt, muss auch sagen, was die Alternative zu ihr sein soll und wie es um das jeweilige Verständnis des universalen Menschenrechtsschutzes steht. Die Kritik muss außerdem konkret sein, d.h. konkrete EMRK-Anwendungsfälle benennen. Dabei wird sich zeigen, dass z.B. Abschiebungen häufig nicht an der EMRK, sondern an konkreten Vollzugsproblemen eines Staates scheitern, verursacht z.B. durch das Fehlen von entsprechenden Abkommen mit jenen Staaten, in die – menschenrechtskonform – abgeschoben bzw. rückgeführt werden soll.

Für Österreich stellt sich noch eine besondere Herausforderung: Die EMRK ist das zentrale Grundrechtsdokument für Österreich und steht im Verfassungsrang. Auf ihr baut die Entwicklung eines modernen, universalen Menschenrechtsverständnisses in Österreich, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und vieler weiterer Gerichte dazu auf. Wer die EMRK in Österreich in Frage stellt, stellt – wissentlich oder unwissentlich – auch all das in Frage.

Die aktuelle Menschenrechtsdebatte reiht sich ein in eine Reihe politischer und publizistischer Stellungnahmen, in der Menschenrechte, Verfassungsgerichte und internationale Gerichte einer demokratischen Politik gegenübergestellt und bisweilen auch als Gefahr für die Demokratie dargestellt werden, wobei „Demokratie“ hier häufig auf ein fragwürdiges Mehrheitsrecht verkürzt wird. Dabei wird vergessen, dass Demokratien in Europa nach 1945 als menschenrechtsbasierte Rechtsstaaten (mit entsprechendem Minderheitenschutz) organisiert werden sollten, in denen Parlamente und Gerichte zusammenwirken. Menschenrechte sollen so unbedingt geschützt werden und eine Grenze der politischen Gestaltung bilden.

Die skizzierten Infragestellungen von EMRK bzw. EGMR stellen somit letztlich einen Angriff auf die moralischen und rechtlichen Grundlagen der Menschenrechte dar. Anstatt über die – vielen – notwendigen Fragen im Zusammenhang mit Migration, Flucht und Strafrecht zu diskutieren und deren Wurzeln sowie dabei auftretenden Problemen tatsächlich auf den Grund zu gehen, nehmen sie die Bestimmungen über Menschenwürde, Tötungsverbot, Folterverbot und Schutz körperlicher und geistiger Integrität in den Fokus und stellen sie infrage. Die Kritik stellt damit aber die Universalität der Menschenrechte und den Anspruch, sie universell und damit für jeden Menschen – unabhängig von seiner Herkunft oder seinen Handlungen – zu respektieren und zu schützen, in Frage. Sie erweist sich damit als ernste Gefahr für alle modernen Demokratien, insofern sie menschenrechtsbasiert und rechtsstaatlich verfasst und organisiert sind. Als solche sind sie aber auch aus Sicht der Katholischen Soziallehre unbedingt zu verteidigen und zu fördern: Unter den aktuellen politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen garantiert unter allen Staatsformen eine menschenrechtsbasierte rechtsstaatliche Demokratie zweifellos am besten die Beachtung des Personalitätsprinzips („Wurzelgrund […], Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen ist und muss auch sein die menschliche Person.“ – GS 25), realisiert mit ihren unbedingten Schutzrechten für Minderheiten und Einzelpersonen auch eine Form der vorrangigen Option für Arme bzw. Schwächere und zielt damit auf ein Gemeinwohlverständnis ab, wie es von der Katholischen Soziallehre vertreten wird. („… das größte Glück aller Einzelnen eines Sozialgebildes in Gegenwart und Zukunft mit vorrangiger Beachtung vitaler Grundbedürfnisse für alle.“ – V. Zsifkovits)

 

Literatur-Hinweise

Wolfgang Benedek, Verdünnte Rechtsstaatlichkeit gefährdet alle, in: Quart 3/2025, S. 4-9.

Niccolò Raselli, Der offene Brief von neun europäischen Staaten und die Motion Germann, in: Unser Recht – Schweizer Denkfabrik für Recht und Politik, https://unser-recht.ch/stimmungsmache-gegen-den-egmr/ (29.10.2025).

Uwe Volkmann, Demokratischer Minimalismus, in: Merkur 912/2025, S. 5-19.

 
Anmerkung

Der Duktus sowie der inhaltliche Kern dieser Handreichung stammen von Dr. Christoph Konrath, Mitglied im Wissenschaftl. Beirat der ksœ. Seine Ausführungen wurden von ksœ-Direktor Dr. Markus Schlagnitweit lediglich formal strukturiert und an einigen Stellen stilistisch geschärft sowie – v.a. am Ende – geringfügig ergänzt.


 

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Veröffentlichungsdatum: 10.12.2025

Rückfragen: Markus Schlagnitweit

 

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