Unter dem Motto „Zukunft gestalten: demokratisch – solidarisch – gerecht“ fand am 29. März 2019 im Kardinal König Haus in Wien die 60-Jahre-Festveranstaltung der ksoe statt.
Unter den ca. 200 TeilnehmerInnen waren Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz, der Ökumene, muslimische Geschwister, VertreterInnen aus kirchlichen Einrichtungen, aus Gewerkschaften und Wirtschaft, aus der Zivilgesellschaft, KooperationspartnerInnen, BeraterInnen und zahlreiche AbsolventInnen von ksoe-Lehrgängen.
Nach Begrüßungs-Statements von Magdalena Holztrattner (ksoe-Leiterin), Bischof Werner Freistetter (Österr. Bischofskonferenz), Markus Inama SJ (stellvertretende für Provinzial P. Bernhard Bürgler SJ, Jesuiten in Österreich) folgte ein Vortrag von Marianne Gronemeyer (Sozial- und Erziehungswissenschafterin) zum Thema der Veranstaltung: Zukunftsgestaltung.
In einem interaktiven Teil diskutierten die TeilnehmerInnen Aussagen und Fragestellungen rund um aktuelle Projekte der ksoe aus den Themenfeldern Alternatives Wirtschaften, Führung & Partizipation und Soziale Gerechtigkeit. Im Sinne eines Ausblicks hielt Bundespräsident Alexander van der Bellen seine Rede. Dabei berichtete er auch über seine langjährigen Erfahrungen als Berater am „Dreimonatskurs“ der ksoe und seine Verbundenheit mit der ksoe.
Magdalena Holztrattner, die Direktorin der ksoe, befasste sich in ihrer Begrüßungsrede mit den AkteurInnen der Veränderung, den ZukunftsgestalterInnen. Die Sozialethikerin zeigte sich überzeugt, dass ZukunftsgestalterInnen eine geeignete Navigationskarte bzw. einen guten Kompass benötigen. Anstelle der neoliberalen und der nationalistischen Navigationskarten könne die Soziallehre der Kirche als Kompass hilfreich sein. Diese stelle wertvolle Orientierungspunkte zur Verfügung, z.B. Solidarität, die Option für die Armen oder auch die Nachhaltigkeit.
ZukunftsgestalterInnen müssen sich positionieren und wissen, auf welcher Seite sie stehen, so Holztrattner. Sie nannte als Beispiel die SchülerInnen, die an Freitagen für Klimagerechtigkeit streiken und um ihren Standpunkt wüssten. Nicht zuletzt müssten ZukunftsgestalterInnen ins Tun kommen und nicht nur ihre eigenen Haltungen verändern, sondern auch dazu beitragen, dass sich Verhältnisse ändern. Abschließend lud die ksoe-Leiterin die TeilnehmerInnen dazu ein, sich gemeinsam weiter zu engagieren – für ein gutes Leben für alle.
Bischof Werner Freistetter, in der Österreichischen Bischofskonferenz als Referatsbischof für die Katholische Sozialakademie Österreichs zuständig, sagte in seinem Begrüßungsstatement: „Auf verschiedene Weise und mit innovativen Mitteln bringt die ksoe den Menschen die Soziallehre der Kirche, die ein integraler Bestandteil der christlichen Verkündigung ist, nahe.“ Dabei habe sich die Katholische Sozialakademie Österreichs nie gescheut, kritische Anfragen an die bestehende Sozial- und Wirtschaftsordnung zu stellen.
Freistetter: „Die zunehmende Bedeutung der Solidarität in der Arbeit der ksoe wie auch in vielen anderen kirchlichen Stellungnahmen und Aktivitäten liegt wohl auch darin begründet, dass die zunehmende `wechselseitige Abhängigkeit zwischen Personen und Völkern´ mit einer zunehmenden Ungleichheit einhergeht und deshalb ein `intensiveres Engagement auf ethisch-sozialer Ebene´ erforderlich ist, `um die unheilvollen Konsequenzen einer Unrechtssituation von weltweiten Ausmaßen zu verhindern´, wie es das Kompendium der Soziallehre der Kirche in Nr. 192 formuliert.“
Solidarität sei sowohl soziales Ordnungsprinzip als auch Tugend. Als soziales Ordnungsprinzip soll sie die Grundlage für die Schaffung oder Veränderung von Gesetzen und Normen werden, mithilfe derer die „Strukturen der Sünde“ in „Strukturen der Solidarität“ verwandelt werden sollen. (KSK 193)
In der Nachfolge Jesu gehe christliche Solidarität immer schon über bloße Gruppen- oder Interessenssolidarität hinaus. „Christliche Solidarität beruht aber auf der festen Überzeugung von der gleichen Würde, der Gottebenbildlichkeit und Geschwisterlichkeit aller Menschen. Sie bilden die eine Menschheitsfamilie, die dazu berufen ist, in Frieden und Gerechtigkeit miteinander zu leben.“
Die Grußbotschaft von P. Bernhard Bürgler SJ, des Provinzials der Jesuiten in Österreich, (vorgetragen von P. Markus Inama SJ) behandelte das Thema „Glaube und Gerechtigkeit“. In der Verbindung dieser beiden Worte sei die Option, die Grundausrichtung des Jesuitenordens, die alle einzelnen Tätigkeiten bestimmt, formuliert. Sie habe auch die ksoe – seit ihrer Gründung und durch die Mitarbeit von Jesuiten – in all diesen Jahren geprägt.
„Glaube und Gerechtigkeit sind dynamische Begriffe und deshalb im Laufe der Zeit immer wieder neu zu reflektieren und zu konkretisieren“, so Bürgler. „Wie ist Gerechtigkeit zu bestimmen für Arbeit, Wirtschaft und Soziales im Kontext einer postindustriellen Gesellschaft, digitaler Kommunikation, einer globalen Ökonomie und den Herausforderungen des Klimawandels?“ Und weiter: „Glaube und Gerechtigkeit verweisen auf das Vertrauen in die Möglichkeit, eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen zu gestalten. Entgegen den Tendenzen von Fixierung allein auf die eigenen kurzfristigen Interessen, auf rein technische Lösungen oder auch der Resignation gegenüber politischer Gestaltbarkeit, bedarf es des Hinhörens auf die Hoffnungen und Ängste der Menschen, der leidenschaftlichen Orientierung an einer guten Zukunft für alle Menschen auf unserem Planeten.“
Jesuiten-Provinzial-Bürgler: „Die Entwicklung von Perspektiven gerechter Verhältnisse und deren Umsetzung im gesellschaftlich-politischen Prozess bedarf eines permanenten Dialogs, des Ringens um Verständigung und Konsens und gemeinsam getragenen Engagements.“
Die wörtliche Bedeutung von Zu-kunft sei „das, was kommt“ und zwar sei das immer anders, als man denkt. „Dass wir die Zukunft als zu machende auffassen, und sei es auch zu gestaltende, ist eine folgenschwere Verkehrung des Wortsinns. Diese Umdeutung hat einen wirklichen Epochenwechsel eingeleitet und der Moderne ihr Gepräge und ihre Spielregeln gegeben. Die Vorstellung, dass wir Herrschaft über die Zeit in ihrer dreierlei Art gewinnen könnten, dass wir die Zeit also haben, bewirtschaften, gestalten sparen, gewinnen, ausnutzen, aber dann auch wieder verschwenden, vertrödeln, verplempern, vertreiben oder sogar totschlagen könnten, ist vielleicht die Triebkraft der Moderne und zugleich das Dogma, das uns in das Verhängnis gestürzt hat, in dem wir heute festsitzen.“ In ihrem Vortrag zeichnete Marianne Gronemeyer die Idee, nach der wir die Zukunft zu machen und also auch zu verantworten hätten.
Vortrag Marianne Gronemeyer als pdf>
Sie warf die Frage auf, wer denn die Zukunft gestalten solle: die amtierende Generation oder die Generation, deren Gegenwart, deren „Amtszeit“ die Zukunft sein wird? „Die beiden Generationen ziehen nicht an einem Strang“, resümierte sie. „Aber nie zuvor in der Geschichte hat sich die amtierende Generation so unbedenklich und ohne alle Rücksicht an dem, was der nachfolgenden zusteht, bereichert wie heute. Wir haben die Spielräume der kommenden Generation für die ihr eigene Weltgestaltung fast vollständig aufgebraucht (..). Mit unserer, der älteren, Vorstellung, dass es uns obliege, Zukunft zu gestalten, haben wir in deren Terrain gewildert und haben ihnen Steine in den Weg gelegt, versteinerte Sachzwänge, die längst darüber entscheiden, was noch möglich ist.“
In der Folge fragte die Rednerin nachdenklich, was wäre, wenn wir die „Zukunft in Ruhe“ ließen und „dem Augenblick das Seine“ gäben. Gronemeyer wörtlich: „Was wäre, wenn wir uns die Verwendung der Welt für unsere Pläne aus dem Kopf schlügen und uns stattessen in der Hinwendung zur Welt übten? Und was wäre, wenn wir uns von denen, die nach uns kommen überraschen ließen, statt etwas mit ihnen vorzuhaben.“ Kritik übte Gronemeyer im Geiste von Ivan Illich an den Schulen und der „ungeheuerlichen Vorstellung“, dass wir die nachfolgende Generation als Investition in die Zukunft in Rechnung stellten. „Das Vertrauen darauf, dass in jedem, wirklich in jedem Menschen Möglichkeiten schlummern, die wirklich werden wollen, ist etwas unvergleichlich anderes als das Projekt, das ich mit ihm vorhabe, wenn ich ihn für eine zu gestaltende Zukunft zurichte“.
Bundespräsident Van der Bellen erinnerte in seinem Vortrag an seine Tätigkeit als Berater am Dreimonatskurs der ksoe, die er rund 25 Jahre lang ausübte. Die TeilnehmerInnen mussten ihren Lernprozess darin selbst gestalten und die Bildungsarbeit der ksoe sei ermächtigend gewesen. Die ksoe habe dazu beigetragen, eine aktive Zivilgesellschaft entstehen zu lassen, die sich beispielsweise für Arm-Gemachte einsetzt. Er selbst bestätigte von seiner Tätigkeit im Rahmen der ksoe enorm profitiert zu haben.
Als wesentlichen Beitrag der ksoe würdigte er, die Neutralität der Kirche gegenüber den Parteien gefördert zu haben. Bundespräsident Van der Bellen betonte in seiner Rede u.a. die Bedeutung der Europäischen Menschrechtskonvention, den Schutz der Minderheiten, die Grundrechte sowie den Sozialstaat. Dieser müsse für alle da sein, nicht nur für diejenigen, die schon einbezahlt hätten oder einzahlen können. Ein besonderes Anliegen war Van der Bellen auch die aktuelle Klimakrise. In diesem Kontext forderte er, unsere Produktions- und Lebensweise substantiell zu verändern und „enkeltauglich“ zu werden.
Wir möchten uns bedanken: für die Fotos bei unserer Fotografin Jacqueline Godany https://godany.com, für die Videos bei Ing. Friedel Hans http://www.videoproduktion.at/ und beim Team des Kardinal König Hauses https://www.kardinal-koenig-haus.at für die wunderbare Abwicklung unseres Festes!